Der Meister „treibt’s” mit edlem Metall

Neues Gera sprach mit dem Ronneburger Gürtlermeister Manfred Schulze

Auf Ihrem Firmenschild steht „Gürtlerei“. Ich könnte da mal einen neuen Gürtel gebrauchen. Wie wär’s damit?
Können Sie leider bei mir nicht bekommen. Gürtel sind ein Ledererzeugnis. Allenfalls könnte ich Ihnen eine Gürtelschnalle anfertigen und zwar aus Kupfer, Messing oder Zinn. Denn daher kommt der Name Gürtlerei. Ich verarbeite diese edlen Metalle zu kleinen Kunstwerken.

Ist denn Ihre Zunft nicht vom Aussterben bedroht?
Das trifft leider zu. Soviel ich weiß, bin ich in Thüringen noch der einzige Schmuck- und Korpusgürtler. Ich „treibe“ Körper aus dem Metall: z.B. Weinkannen, Feuerzangenbowlen, Beleuchtungskörper, Schalen und Teller. Eine Spezialität von mir sind kupferner Dachrinnenschmuck (z.B. Vögel oder Spinnen) und Drachenspeier.
Weil mein ehrwürdiges Gewerbe immer mehr aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwindet, organisiere ich jährlich zehn bis 15 kleine Ausstellungen, z.B. anlässlich von Stadtfesten oder Handwerksmessen, um meine Produkte zu präsentieren. Die Leute sind jedes Mal begeistert. Dem gleichen Anliegen dient vor allem meine Schauwerkstatt, die u.a. gern von Schülern aus Nah und Fern besucht wird. Mein Handwerksbetrieb existiert seit 25 Jahren. Es war eine komplette Neugründung.

Leiden Sie an Atelophobie, also an der Angst vor Unvollkommenheit?
Ich habe dieses Angstgefühl nicht. Gerade mein Handwerk stellt besonders hohe Anforderungen an Vollkommenheit, Präzision, Qualität und schöpferische Phantasie bei der Materialgestaltung. Der kreative Umgang mit Kupfer, Messing und Zinn fußt auf jahrhundertelangen Traditionen. Dieses Erbe möchte ich gern für die Zukunft bewahren. Alle meine Kreationen sind absolute Unikate.

Thüringen hat vor etwa zwei Jahrhunderten die Jena-Lichtenhainer Bierkrüge aus Zinn hervorgebracht. Könnten Sie so einen Bierseidel herstellen?

Kein Problem. Ich bin bundesweit einer der wenigen Handwerker, der reines Zinn in Treibtechnik bearbeitet, so dass ich schmucke Gefäße jeder Art, so auch Bierseidel, herstellen kann.

Zinn kann krank werden vom sogenannten Zinnfraß. Was macht Sie krank, wenn Sie an das denken, was Ihrem Handwerksbetrieb das Leben schwer macht?
Handwerk hat schön länger keinen goldenen Boden mehr. Mit meiner Handwerkskunst kann ich nicht reich werden. Die öffentliche Hand vergibt so gut wie keine Aufträge mehr. Und nur noch wenige Bürger leisten sich den Luxus von schönen Kunstgegenständen. Hinzu kommt: Die Steuern, die Abgaben, die Lohnnebenkosten geraten immer mehr aus dem Ruder. Und als kleines Unternehmen kann ich mir keine teure Reklame leisten.

Sie stellen nicht nur Krüge oder Becher her, sondern füllen Sie auch in der „Destille“ für den durstigen Besucher. Wäre das nicht auch was für die zu erwartenden BUGA-Gäste?

Die „Destille“, die sich über meiner Schauwerkstatt befindet, ist eine kleine, aber schmucke Gaststätte, in der ich meine Treib- und Ziselierarbeiten präsentiere. Auch andere Gewerke stellen hier ihre Arbeit vor, z.B. Keramiker, Porzel-lanmaler, Zinngießer und Puppenschnitzer. Das ist sicherlich für künftige BUGA-Besucher, aber natürlich auch schon für derzeitige Gäste, ein origineller Treffpunkt.
Davon abgesehen, wird es gewiss während der BUGA eine Möglichkeit geben, dass ich meine Handwerkskunst vorstellen kann. Das Publikumsinteresse ist erfahrungsgemäß groß. Ich wäre auch bereit, ein spezielles Souvenir für die BUGA-Gäste herzustellen.

( Harald Baumann )

Quelle: http://neuesgera.de